Rechtsanwalt Helge Petersen nahm gegenüber dem Experten Report in einem offenen Brief Stellung.
Hier Auszüge aus seiner Stellungnahme:
„Bereits im Jahr 1993 hat der Bundesgerichtshof die Voraussetzungen für die Anlageberatung vorgegeben. In Bezug auf eine anlegergerechte Beratung führt der Bundesgerichtshof in der diesbezüglichen Entscheidung (Az. XI ZR 12/93), welche in den vergangenen Jahren mehrfach bestätigt wurde, an: „Die Beratung hat sich daran auszurichten, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder spekulativen Charakter hat. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung dieses Ziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten, also ‚anlegergerecht‘ sein.“
Bezüglich der anlagegerechten Beratung konstatiert der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung: „In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können.“ Der Bundesgerichtshof zieht hierbei folgerichtig einen Schluss von wesentlicher Bedeutung: „Die Beratung der Bank muss richtig und sorgfältig, dabei für den Kunden verständlich und vollständig sein, die Bank muss zeitnah über alle Umstände unterrichten, die für das Anlagegeschäft von Bedeutung sind.“
„Kapitalanlagen empfohlen, die keineswegs ihren Zielen entsprachen“
In der Realität stellt sich der Zustand bezüglich der Anlageberatung bedauerlicherweise gänzlich entgegengesetzt dar. Kunden wurden durch ihre Berater Kapitalanlagen empfohlen, die keineswegs ihren Zielen entsprachen. Besonders dramatisch spiegelt sich dies im Bereich der geschlossenen Beteiligungen wider. Privaten Kleinanlegern wurde seitens der Vermittler und Banken angeraten, ihr Kapital in derartigen Beteiligungen zu investieren. Hierbei wurden Anleger mit unzutreffenden Versprechungen zur Zeichnung geführt. Das Geld sei sicher, der Rückerhalt des Kapitals garantiert, man investiere angeblich in Sachwerte in Form von Schiffen, Immobilien und weiteren Investitionsobjekten. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Das Fremdkapital innerhalb der Beteiligung wird durch eine darlehensgebende Drittbank gestellt. Diese vereinnahmt den Sachwert der Beteiligung) als Absicherung des Darlehens. Im Rahmen der Zeichnung der Beteiligung wird ein hoher Anteil des Kapitals der Anleger (oftmals bis zu 30 %) dazu verwendet, die Kosten des Investments zu decken. Neben den anlagebezogenen Kosten fließen immense Provisionszahlungen an Bank und Berater. Die Kollision zwischen dem Interesse des Kunden und dem Verkaufsinteresse des Beraters wird der Kunde jedoch mangels Aufklärung durch den Berater über die Kosten- und Provisionsstruktur nicht gewahr. Und so erkennt der Kunde oftmals erst nach mehreren Jahren, dass sein sicher geglaubtes Kapital in einer Kapitalanlage verhaftet ist, bei welcher mit hoher Wahrscheinlichkeit der Totalverlust des investierten Geldes droht.
„Anlageberatung strikter reglementieren“
Zu wenig verlässliche Kontrollen führen nach wie vor zu Unsicherheiten bei der Anlageberatung. Es gäbe Möglichkeiten, die Beratung für beide Seiten „sicherer“ zu gestalten, jedoch müssten hierfür Gesetzgeber und Aufsichtsorgane wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) entsprechend reagieren und die Anlageberatung strikter reglementieren. So ist beispielsweise der Vertrieb von geschlossenen Beteiligungen in allen EU-Staaten bis auf Deutschland, die Niederlande und Österreich an Privatanleger verboten. Private Anleger, die oftmals unerfahren in Bezug auf Kapitalanlageprodukte sind, können die Chancen und vor allem die Risiken sowie die wirtschaftliche Funktionsweise von Produkten des sogenannten Grauen Marktes kaum überschauen. Entsprechende Änderungen, wie beispielsweise die Neureglungen durch das am 22. Juli 2013 in Kraft getretene Kapitalanlagegesetzbuch, verhallen scheinbar wirkungslos und sind nicht dazu geeignet, die Anlageberatung transparenter und sicherer zu gestalten. Solange Banken und Vertriebssysteme aber bewusst gesetzliche Lücken suchen, um Vorgaben der Rechtsprechung bezüglich der Anlageberatung zu umgehen, wird keine Verbesserung für den Kunden eintreten.
„Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe“
Aufgrund der ansteigenden Kundenbeschwerden sehen sich Banken und Vertriebe Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe ausgesetzt. Vielfach findet derzeit ein Umdenken der Rechtsprechung statt. Banken und Finanzvermittler werden vermehrt in Haftung genommen, eine Vielzahl geführter Gerichtsverfahren endet positiv für den Mandanten durch Urteil oder Vergleich. Den Kunden muss daher die Scheu vor dem scheinbar „übermächtigen Gegner“ Bank genommen werden. Es lohnt sich oftmals, sich gegen das Verhalten der Vertriebssysteme zu wehren und das aufgrund der Falschberatung in unwirtschaftliche und riskante Kapitalanlagen investierte Geld zurückzufordern. Vielfach erhalten Kunden hierbei Unterstützung von ehemaligen Bankberatern, Vermittlern und Insidern.
Es ist dringend geboten, dass Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden vehementer bei der derzeitigen Beratungspraxis intervenieren und dadurch mehr Sicherheit bei der Anlageberatung für den Kunden schaffen. Bisher scheint sich an dem Vorgehen bezüglich der Beratung seitens der Bank und der Finanzvermittler nicht viel geändert zu haben. Solange Banken und Vertriebssysteme Verkaufsdruck auf Berater und Vermittler ausüben und diese geradezu zu Falschberatungen anzuhalten scheinen, bleibt der Kunde der Leidtragende. Vermittler und Berater sind daher aufgefordert, ihren Kunden mithilfe von Rechtsanwälten und Spezialisten zu ihrem Recht zu verhelfen und eine Umkehr der Folgen fehlerhafter Beratung herbeizuführen, sodass Kunden bei berechtigten Ansprüchen ihr Kapital zurückerlangen. Es ist jedoch vor allem zu hoffen, dass Banken und Finanzvermittler zu einer Beratungskultur finden, die tatsächlich den Kundenwünschen und somit den Anforderungen an eine anleger- und anlagegerechte Beratung entspricht.“
Für weitere Fragen zum Thema stehen Ihnen das Team der Kanzlei Helge Petersen & Collegen gerne zur Verfügung.
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